Lass mal reden über … Helden des Alltags

Es ist ein sonniger Samstagnachmittag Mitte April. Der weltbeste Mann und ich sind unterwegs in Düsseldorf Bilk, um dort in einem Outdoorladen plastikfreie Trinkflaschen zu besorgen. (Ja, ja ich bin ne Ökotussi, ich weiß.)

Anschließend wollen wir mit der U-Bahn weiter in die Stadt, wo wir noch ein paar andere Kleinigkeiten für unseren baldigen Norwegen-Trip einkaufen wollen.
„Ich springe noch mal eben in den Real“, erkläre ich dem weltbesten Mann und deute auf den Supermarkt, der sich unweit der Haltestelle Bilk-S befindet. „Mach du mal“, sagt der weltbeste Mann und setzt sich auf die Mauer gegenüber der Bahnhaltestelle, „aber ich warte hier draußen in der Sonne.“ (Der weltbeste Mann findet Einkäufe im Supermarkt nämlich kolossal blöd.)
Fünf Minuten später habe ich alle Einkäufe erledigt und laufe zurück zur Bahnstation. Im Näherkommen sehe ich, wie gerade eine U-Bahn vorfährt. „Komm, die können wir nehmen,“ rufe ich meinem Mann zu, der immer noch auf der Mauer sitzt und flitze los. Er springt auf und folgt mir. Sekunden später stehen wir in der Bahn. Die Türen schließen sich und die Bahn rollt los.

„Sag mal, hast du mein Portemonnaie?“, fragt mein Mann plötzlich und klopft hektisch seine Taschen ab. „Ne, das hast du selbst eingesteckt.“
„SCHEISSE! Dann liegt das jetzt immer noch an der Mauer“, flucht mein Mann. Nachdem er sich wieder ein wenig gefangen hat erklärt er weiter: „Während ich auf dich gewartet hab, hatte ich das Portemonnaie zwischen meine Beine auf die Mauer gelegt. Dann bis du aufgetaucht und hast gesagt, dass die Bahn gerade kommt. Da bin ich einfach aufgesprungen und los.“

An der nächsten Haltestelle springen wir aus der Bahn und rennen so schnell wie möglich zum gegenüberliegenden Gleis. Die digitale Anzeige informiert uns, dass die nächste Bahn in zwei Minuten kommt. „Bis wir wieder zurück an der verschissenen Haltestelle sind, ist das Portemonnaie weg,“ schimpft meine bessere Hälfte. Im Stillen stimme ich ihm zu. Die Gegend um den Bilker S-Bahnhof ist sehr belebt, vor allem am Wochenende. Da würde es schon an ein Wunder grenzen, wenn das Portemonnaie tatsächlich noch da wäre.

Leider bestätigt sich unsere Befürchtung kurze Zeit später. Fast eine Stunde lang suchen wir die ganze Umgebung ab, fragen bei den umliegenden Geschäften und Restaurants nach, aber das Portemonnaie bleibt verschwunden.

Resigniert schaut mein Mann mich an. „Was ist denn mit den Menschen los? Gibt es denn niemanden mehr, der ehrlich genug ist, um ein gefundenes Portemonnaie abzugeben?“
„Komm, lass uns nach Hause fahren, das bringt nichts wenn wir hier noch weiter suchen,“ entgegne ich. „Vielleicht taucht es ja doch noch wieder auf; im Fundbüro der Stadt oder der Rheinbahn.“

Auf dem Nachhauseweg lässt mein Mann erst einmal sämtliche Giro- und Kreditkarten sperren. Dann überlegen wir gemeinsam, was sonst noch im Portemonnaie war: Perso, Führerschein, Versichertenkarte, ADAC-Mitgliedsausweis, einige persönliche Fotos und eine kleine Summe Bargeld.

„Kannst du mir vielleicht ein wenig Bargeld leihen? Ohne meine Karte kann ich erst mal nichts mehr abheben“, fragt mich mein Mann, als wir zu Hause aus der Bahn steigen. „Klar“, sage ich, „ich gehe eben zur Bank.“

Während ich rüber zur Bank laufe, geht mein Mann schon mal nach Hause. Im Hausflur kommt ihm ein älterer Herr entgehen. Aussehen und Geruch des Mannes lassen auf einen Obdachlosen schließen. „’tschuldigung,“ fragt der Fremde höflich, „wissen Sie wo hier die Briefkästen sind?“
Mein Mann antwortet: „Klar, hier um die Ecke. Warum? Wen suchen Sie denn?“ Der unbekannt Herr nennt ihm einen Namen.
„Das bin ich“, ruft mein Mann verblüfft aus. „Sie?“, entgegnet der Fremde. „Dann habe ich hier ihr Portemonnaie.“
Voll fassungslosem Unglauben und Erleichterung bedankt mein Mann sich überschwänglich und drückt dem Herrn sämtliches Bargeld in die Hand, was sich noch im Portemonnaie befunden hatte.

„Ich kann das immer noch nicht glauben“, resümiert der weltbeste Mann Stunden später, als wir nebeneinander im Bett liegen. „Das musst du dir mal vorstellen: Jemand der selbst nichts hat, setzt sich in die Bahn und fährt einmal quer durch die Stadt, um mir mein Portemonnaie nach Hause zu bringen. Und dann überlegt mal wie groß der Zufall gewesen sein muss, dass er die Adresse kannte. Schließlich hatte er vermutlich kein Google Maps um mal eben nachzusehen. Da fängste schon an nachzudenken…“

Ich nickte. Ja, dieses bemerkenswerte Erlebnis lehrt mich einmal mehr, dass wir und viel zu oft von unseren Vorurteilen leiten und von Äußerlichkeiten blenden lassen.
Heute ist dieser Herr unser persönlicher Held des Alltags, ganz ohne cooles Outfit und außergewöhnliche Fähigkeiten. Seine Superkraft war schlicht und einfach seine Menschlichkeit. Was ist deine?

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